Lormen: Die Sprache der Taubblinden

Wahrscheinlich haben Sie auch schon oft im Fernsehen gesehen, wie beispielsweise die Nachrichten simultan an der Bildseite für Gehörlose in Gebärdensprache übersetzt werden. Dies ist existenziell wichtig, da so sichergestellt wird, dass jeder Mensch Zugang zu Information und auch Unterhaltung bekommt und Handicaps hier keine Rolle mehr spielen. Doch haben Sie sich schon einmal gefragt, wie sich Menschen verständigen, die taub und blind zugleich sind? Gebärdensprache, die sich durch eine komplexe, visuelle Zeichensprache mittels Gesten und Bewegungen ausdrückt, ist für einen Taubblinden leider nicht von großem Nutzen. Wie kann also in einem solchen Fall Kommunikation stattfinden und ein Taubblinder die Informationen seines Umfelds erhalten?

Die Antwort auf diese essenzielle Frage lieferte der deutsche Schriftsteller Heinrich Landesmann (bekannt unter dem Pseudonym Hieronymus Lorm) schon im 19. Jahrhundert, da er bereits in jungen Jahren zunächst sein Gehör verlor und später, mit ungefähr 30 Jahren zusätzlich noch vollständig erblindete. Um aber weiterhin an der Kommunikation mit seinen Freunden und Familie teilhaben zu können, erfand er schließlich 1881 das bis heute bekannte Handalphabet. Nach Lorms Tod veröffentlichte seine Tochter das von ihm entwickelte Alphabet, welches sich aufgrund seiner relativ einfachen Lernbarkeit auch zügig zu verbreiten begann und auch heute noch vielen Menschen von großem Nutzen ist.

Das Handalphabet

In einer Kommunikationssituation nimmt der „Sprechende“ die (meist linke) Hand des taubblinden „Lesenden“ und berührt deren Innenfläche. Dabei wird der Handinnenfläche durch die Finger, den Handteller und weitere Partien jeweils ein ganz bestimmter Buchstabe des Alphabets zugeordnet. Dies entspricht dem Lormen-Alphabet. So wird der Buchstabe „A“ beispielsweise durch das kurze Tippen auf die Daumenspitze des „Lesenden“ ausgedrückt. Der Buchstabe „B“ wird durch einen kurzen Strich auf den Zeigefinger des taubblinden Kommunikationspartners in dessen Hand hineingezeichnet. Auf diese Weise ist es möglich, ein ganzes Alphabet darzustellen. Dabei wird Buchstabe für Buchstabe jedes einzelnen Wortes in die Hand des Partners hineingeschrieben. Praktischerweise sind dabei die Buchstaben, die im Deutschen des Öfteren vorkommen auch besonders einfach zu erreichen und darzustellen.

Auch wenn dieses Kommunikationsmittel für einen in Lormen ungeübten Menschen zunächst sehr kompliziert erscheint, so kann eine Unterhaltung in dieser Sprache zwischen zwei routinierten „Sprechern“ doch wirklich sehr schnell gehen. Dabei ist aber anzumerken, dass das Schreiben einer Botschaft anfangs schneller und leichter zu erlernen ist. Die Gewöhnung an das (schnelle) Lesen und Verarbeiten der Nachrichten in der eigenen Hand nimmt meistens mehr Zeit und Geduld in Anspruch.

Auf diese Weise können Taubblinde weiterhin Informationen von ihren Mitmenschen aufnehmen und sind nicht zu einem Leben in Isolation verurteilt.

Andere Kommunikationsformen für Taubblinde

Jedoch empfiehlt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Taubblinden e.V. auch, dass Taubblinde auch andere Kommunikationsformen für sich nutzen. Ist ein Betroffener erst im Laufe seines Lebens erblindet, so sollte er weiterhin die auf Gesten basierende Gebärdensprache verwenden sobald er selbst etwas mitteilen möchte. Im Falle, dass ein Taubblinder erst im Laufe seines Lebens sein Gehör verloren hat und sogar selbst noch sprechen gelernt hat, sollte dieser dann auch nach Möglichkeit noch versuchen, mit seinen Mitmenschen zu sprechen. Diese vielschichtigere Art der Kommunikation soll die Betroffenen weiterhin zu größtmöglichem Kontakt mit der Umwelt anregen und die psychische Stabilität fördern.

Aufgrund seiner großen Beliebtheit und einfachen Handhabung wird Lormen heute in Deutschland, den Niederlanden und Tschechien verwendet.

Kommunikation ist für jeden Menschen unverzichtbar wichtig und egal, wie sie sich auch gestalten mag: Jede Form des zwischenmenschlichen Ausdrucks ist für sich wertvoll und sollte immer vorangetrieben werden.