Sprache ist für den Menschen das allumfassende Element, mit dem er sein ganzes Leben lang sich selbst identifiziert, denkt und überlegt, Botschaften an andere Menschen kommuniziert. Mit ihr drückt er alles aus, was ihn bewegt: Träume, Erlebnisse, Ängste, Notwendigkeiten,… Mit seiner eigenen Sprache unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen, die zwar ebenfalls eine Sprache besitzen (beispielsweise die Lautsprache der Delfine, die bewiesenermaßen etliche, auch komplexere, Bedeutungen übermitteln kann), doch eben keine menschliche.

Die engsten Verwandten des Primaten Mensch, die Menschenaffen, sind zwar in der Lage, diverse bedeutungstragende Kreischlaute auszustoßen. Für gewöhnlich ist der Stimmapparat der Affen auch nicht auf eine differenziertere Lautbildung ausgelegt. Einige besonders sprachbegabte Schimpansen waren in Experimenten jedoch sogar in der Lage, einfache Wörter zu lernen, doch machten sie sich die Sprache niemals zunutze, um von sich aus selbständig ihre Gedanken zu kommunizieren, sondern lediglich um an Nahrung zu gelangen.

Die Frage, wie der Mensch im Gegensatz zu seinen evolutionären Verwandten in den Sprachbesitz gelangte, liegt daher nahe. Die Theorie, dass sich der Evolutionsweg von Mensch und Menschenaffen irgendwann gespalten hat, legt die These nahe, dass die Sprache erst nach dieser Aufspaltung entstand. Doch über den genauen Ablauf dieser Entwicklung wurde schon seit Jahrhunderten viel spekuliert. Im Zuge der Aufklärung, als die Spekulationen förmlich explodierten, verbat sich die „Société de Linguistique de Paris“ sogar jegliche weitere Thesen zu diesem Rätsel.

Doch mittlerweile gehen Hirnforscher und Urzeitforscher (Paläoanthropologen) dieser Frage wieder mit gesteigertem Eifer nach. Für eine exakte Theorie sind die Erkenntnisse noch nicht weit genug fortgeschritten, doch lassen sich die Ergebnisse der Säuglings- und Kleinkindforschung vermutlich auf die Menschheit im Allgemeinen übertragen: So wie ein Kleinkind aus Weinen und Brabbeln allmählich komplizierte Satzgebilde mit korrekter Grammatik und Syntax konstruieren kann, hat sich vermutlich auch der Urzeitmensch über tierähnliche Laute der Sprache allmählich angenähert und sie von Generation zu Generation weiter verfeinert, eine Sprachmelodie, Grammatik und einen immer größeren Wortschatz entwickelt.

Auch der aufrechte Gang, der dem Menschen allein zu eigen ist, könnte eine herausragende Rolle beim Spracherwerb gespielt haben. Der amerikanische Neuropsychologe Robert Provine der Universität Maryland zählt den aufrechten Gang jedenfalls zu den obligatorischen Voraussetzungen des artikulierten Sprechens, da er die Atmung essentiell verändere. Er belegt dies beispielsweise anhand der verschiedenartigen Atmung beim Lachen zwischen Schimpanse und Mensch. Auch die anatomischen Unterschiede der Kehlkopflage und dem daraus folgenden Volumen des Rachenraumes könnten für den Besitz des Sprachprivilegs des Menschen mitverantwortlich sein, meint Provine.

Ob jedoch zuerst die intellektuellen Fähigkeiten vorhanden waren, die zum Spracherwerb geführt haben, oder ob der Spracherwerb die intellektuellen Kompetenzen des Urzeitmenschen geschult hat, darüber sind sich die Experten bisher keineswegs einig. Auch die These, dass die Sprache des Homo sapiens das Aussterben des Neandertalers bewirkt haben könnte, wird derzeit kontrovers diskutiert. Auf detaillierte Erkenntnisse wird man vermutlich leider auch noch geraume Zeit warten müssen.

Drum“, in der Zwischenzweit frei nach Ludwig Uhland, „spreche, wem die Sprach‘ gegeben!



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