Obwohl die erst kürzlich entflammte Debatte über das Gendering – die grammatikalische Angleichung einiger nur im maskulinen Genus existierender Wörter – schon wieder abgeflaut ist, scheiden sich bei diesem Thema die Geister und überschäumende Emotionen machen eine Lösung nahezu unmöglich. Die ursprünglich rein sprachliche Debatte wird zu einer umfassenden gesellschaftlichen Debatte über die Gleichstellung der Geschlechter. Wieder einmal ist die Sprache mehr als nur reines Kommunikationsmedium, sondern der Spiegel der Gesellschaft!

Doch wie ist diese Kontroverse überhaupt entstanden? Ist Gendering in anderen Ländern / Sprachen auch ein Thema? Und wenn ja, wie spielt sich die Debatte dort ab?

Eine erste Grundlage für die Debatte in ihrem heutigen Ausmaß wurde bereits in den 80er-Jahren durch die feministische Bewegung gelegt. Schon damals wurde die „übermaskuline“ Prägung der deutschen Sprache bemängelt und es wurde nach Möglichkeiten gesucht, um beispielsweise Anreden geschlechtergerecht zu formulieren: Das Binnen-I („Liebe SchülerInnen“) wurde kreiert.

Auch Berufsbezeichnungen sollten vereinheitlicht werden, die Trennung nach Männer- und Frauenberufen aufgebrochen werden. So wurde die Krankenschwester zur Krankenpflegerin und ihr männlicher Kollege durfte Krankenpfleger heißen.

Im Jahr 2005 gewann diese Umwandlung von Berufsbezeichnungen noch einmal kräftig Auftrieb, als Angela Merkel Gerhard Schröder ablöste und das Wort „Bundeskanzler“, bis dahin ohne ein weibliches Pendant, um „Bundeskanzlerin“ ergänzt wurde.

Seit Anfang dieses Jahres sorgt nun jedoch die Debatte um das bisher völlig unproblematische Studentenwerk für Furore. Soll man weiterhin „Studentenwerk“ sagen oder ist das den Studentinnen gegenüber diskriminierend und muss daher dringend durch „Studierendenwerk“ abgelöst werden?

Auch wenn die möglichst schnelle Gleichstellung und -berechtigung der Geschlechter ein dringliches Anliegen der gesamten Gesellschaft sein sollte, so mag diese Debatte dennoch so manchem (aber auch mancher) im Geheimen allmählich grotesk erscheinen. Soll man nun wirklich jedes vordergründig maskuline Wort, selbst wenn es in der Bedeutung völlig geschlechtsneutral verwendet wird (so wie das Studentenwerk), auf sein eventuell geschlechterdiskriminierendes Potenzial untersuchen und neue, bis dahin inexistente, weibliche oder gezwungen neutrale Formen (wie das Studierendenwerk) erfinden?

Wie gehen andere Länder mit dieser Frage um?

Großbritannien hat in dieser Hinsicht großes Glück, da sie sich im englischen Sprachraum erst gar nicht stellt, da das Englische in die meisten Bezeichnungen beide Geschlechter miteinschließt. „Translator“ kann also sowohl ein Übersetzer als auch eine Übersetzerin sein und auch „politician“ verrät nicht das Geringste über das biologische Geschlecht der gemeinten Person. Nur bei einer sehr kleinen Minderheit an Worten wie bei „waiter/waitress“ (Kellner/-in) und „actor/actress“ (Schauspieler/-in) unterscheidet die englische Sprache und führt zwei Formen.

Im Russischen hingegen verhält es sich ähnlich wie im Deutschen. Für einige Wörter existieren weibliche Formen, für andere wiederum nicht. Eine Ärztin wird sich genauso als „врач“ (wratsch) vorstellen, wie ihr männlicher Kollege, eine Übersetzerin ist allerdings eine „переводчицa“ (perewodtschiza), der Übersetzer der „переводчик“ (perewodtschik).

Die genannte Polemik ist in Russland allerdings gänzlich unbekannt, eine Ärztin fühlt sich durch die männliche Bezeichnung keinesfalls diskriminiert, sondern das Wort „врач“ wird dort problemlos als geschlechtsneutral verstanden und kann sowohl für Ärzte als auch für Ärztinnen stehen.

An diesem Beispiel stellt sich nun jedoch die Frage, weshalb das Studentenwerk daher für deutschsprachige Menschen unbedingt einen männlichen Kontext transportieren muss und nicht wie im Russischen geschlechtsneutral sein kann? Weshalb soll man Wörter „einfeminieren“, um einer möglichen Diskriminierung vorzubeugen und kann nicht einfach die Neutralität verabreden?

Die Debatte wäre schnell erledigt…



Schreibe einen Kommentar