In der heutigen Zeit sind sie immer weiter rückläufig: handschriftliche Briefe. Kaum jemand macht sich heute, im Zeitalter des Computers mit etlichen verschiedenen Schriftarten und automatischer Rechtschreibkontrolle, noch die Mühe, einem lieben Menschen einen handschriftlichen Brief zu widmen. Briefe sind „out“.

In Kanada beispielsweise denkt die dortige Post sogar bereits darüber nach, aufgrund des extrem absinkenden Postaufkommens gar nicht mehr jeden Haushalt einzeln zu versorgen, sondern große Gemeinschaftsbriefkästen aufzustellen.

Sogar die E-Mail, eine noch relativ neue Erfindung, eigentlich ja nichts anderes als ein elektrischer Brief, ist ebenfalls schon auf dem besten Wege, zu veralten. Wer möchte denn auch noch mühsam E-Mails tippen und eine ungewisse Zeit auf Antworten warten müssen, wenn er genauso gut auch zu seinem Handy greifen und über WhatsApp eine sofortige Antwort erhalten kann?

Die bevorzugt verwendeten Kurznachrichtendienste haben auch einen Einfluss auf unsere Sprache. Statt „Lieber Christian, ich würde dich gerne heute Nachmittag treffen. Wann hättest du denn am ehesten Zeit?“ wird eher geschrieben „Hey chrischdi, heut mittag zeit für n treffen? Wann?“

Diese Entwicklung ist nicht unbedingt nur negativ zu sehen, ist die Verwendung von kürzest möglichen Sätzen, dem sogenannten Telegrammstil, doch genau der Sinn der Kurznachrichten: kurz, knapp, treffend… Eine ausschweifende Kurznachricht wäre daher ein Widerspruch in sich selbst.

Auch die Unkenrufe, die Sprachbeherrschung und Ausdruckskraft verkomme durch intensiv genutzte Kurznachrichten und die damit einhergehenden Abkürzungen zusehends, sind nur zum Teil gerechtfertigt. Nur, weil jemand in einer Nachricht nicht auf Rechtschreibung achtet, heißt das noch lange nicht, dass er keine mehr beherrscht!

Aber im Gegensatz zu Kurznachrichten sind Briefe nicht nur die Nachricht an sich, die mit ihnen übermittelt wird, sondern sie sind durch die nur ihm eigene Handschrift auch ein Stück der ganz individuellen Persönlichkeit des Senders. Durch den freiwillig aufgenommenen Zeitaufwand und die Mühe, von Hand zu schreiben, signalisiert man dem Empfänger: Du bist mir wichtig!

Und es lässt sich auch nicht leugnen, dass sich Briefe naturgemäß einer anderen Rhetorik bedienen. Durch das Mehr an zur Verfügung stehendem Platz lassen sich Erlebnisse detaillierter beschreiben. Und da man sich für einen Brief Zeit nehmen muss, basieren die Sätze auf guter Überlegung; Stil und Sprachniveau werden angehoben. Es lassen sich so schillernde Sprachbilder erzeugen, die dem Leser in aller Deutlichkeit vor Augen stehen, oder in entwaffnender Schlichtheit präzise Aussagen treffen.

Briefe sind in ihrer Sprache Zeugen und Zeugnisse ihrer Zeit. Historisch berühmte Beispiele hierfür sind Anne Franks in Briefform verfassten Tagebucheinträge, die auf der ganzen Welt gelesen wurden und die Lebenssituation von untergetauchten Juden während des Zweiten Weltkrieges lebendig werden lassen. Auch der Brief von Mahatma Gandhi an Adolf Hitler mit der Bitte, einen Krieg zu verhindern, ist in seiner Sprache von einer solchen Intensität und Eindringlichkeit, dass sich auch heute noch kaum jemand ihrer Wirkung entziehen könnte.

Kurznachrichten haben für die Vereinbarung eines Treffens oder für einen kurzen Austausch durchaus ihre Berechtigung. Doch wo es um solche komplexen Zusammenhänge geht, wo Sprache nicht einfach umgangssprachlich-locker sein soll, sondern wo Sprache einen Effekt erzielen, einen bleibenden Eindruck hinterlassen soll, da braucht es eben auch heute noch einen Brief…



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